Alida Mühlbauer

Practical and Theoretical Normativity in Constitutivism

Nach einem Umweg über Jura und Geschichtswissenschaft habe ich an der Universität Konstanz Philosophie studiert. Sowohl meine BA- als auch meine MA-Arbeit schrieb ich über Arthur Schopenhauers Werke. Mein MA-Abschluss im Jahr 2017 wurde mit einem VEUK-Preis der Universität belohnt. Für meine Dissertation habe ich mich dann thematisch vollständig umorientiert, denn der Konstitutivismus begann mich zu fesseln. Er ist eine philosophische Position, die das Ziel hat, Normativität im Allgemeinen oder moralische Urteile im Speziellen zu rechtfertigen, indem gezeigt werden soll, dass ein Akteur gewissen normativen Standards genügen muss, um überhaupt als solcher bezeichnet werden zu können. Obwohl die Unterscheidung von praktischer und theoretischer Normativität ein Gemeinplatz in der Philosophie (wenn auch nicht unstrittig) ist, scheinen Konstitutivisten die Trennlinie auf eine substantielle Weise aufzulösen. Denn für Konstitutivisten wie Christine M. Korsgaard und J. David Velleman leitet sich praktische Normativität davon ab, was es bedeutet, ein Akteur zu sein, und theoretische Normativität davon, was es bedeutet, ein Denkender zu sein – wobei Akteur sein und Denkender sein sich überschneidende Begriffe sind. Ich möchte zeigen, dass es im Konstitutivismus eine Art von Sollen gibt, die sogar noch über praktischer und theoretischer Normativität steht und beide miteinander verschmilzt: rational sein. Folglich ist mein Ziel, die These zu verteidigen, dass ein domänenneutraler Begriff von Rationalität die Basis der konstitutivistischen Erklärungen von Normativität bildet und so die substantielle Unterscheidung zwischen praktischer und theoretischer Normativität aufgelöst wird. Meine Arbeit baut sich aus drei Teilen auf: Zunächst werde ich die durchaus umstrittenen Theorien Korsgaards und Vellemans erarbeiten und in für mich relevanten Punkten verteidigen. Anschließend werde ich dafür argumentieren, dass die Notwendigkeit, die mit praktischen und theoretischen Verpflichtungen einhergeht, letztlich eine Notwendigkeit der Rationalität ist. So kann ich im letzten Teil zeigen, dass im Konstitutivismus keine substantielle Trennlinie zwischen praktischer und theoretischer Normativität existiert.